ZURUECK

Flieger, gruess mir die Sonne - Teil 1

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Es war Abend, und die Sterne spannten die Nacht ueber die ganze Weite des Himmels. Von der Hitze das Tages war unter ihrem frostigem Blick bereits wenig geblieben. Bald wuerden die letzten ehrlichen Gestalten ihre Tueren hinter sich ins Schloss geschlagen haben, wuerden nur noch dick vermummte Halunken und Halsabschneider schlotternd durch die Strassen streifen, oder in einer geschuetzten Ecke lauern auf jemanden, der dumm oder betrunken oder verzweifelt genug war, um diese Zeit noch durch die Gassen von Osthanx zu irren.

Knirschende, unregelmaessige Schritte kuendigten einen solchen an. Eine Gruppe Maden sah sich an und fand die Mordlust bestaetigt in jedem ihrer vier Augenpaare. Sie verschwanden in den Schatten wie Tropfen dunklen Oels. Eine Silhoutte erschien vor dem roetlichen Licht, das aus dem Osten kam und den feurigen Untergang kuendete. Eine grosse, hagere Silhoutte, eine vermummte Gestalt, auf Kruecken, mit nur einem Bein. Lange verharrte sie, als koenne sie die Falle riechen, die auf sie wartete. Vielleicht sah sie das rote Blizen einer blanken Klinge, vielleicht hoerte sie den kaum gezuegelten, hungrigen Atem. Sie griff in ihren Umhang, und schwang, nur noch auf eine Kruecke gestuetzt, mit der anderen Hand eine Schottgann heraus und in Position. Die losgelassenen Stuetze klatschte auf den Sand, wie der leise Bruder des Todes. Denn einen Herzschlag spaeter feuerte die Waffe, klatschte den Koerper eines der Maden an eine lehmverputzte Hauswand, zusammen mit der Bluete seines Blutes. Die anderen rannten, verfolgt vom haemischen Echo des Schusses und dem Hall ihrer eigenen Schritte.

Canyube starrte auf eine Schuessel dampfender, fettiger Bruehe, als der einbeinige Cerbora sich an ihren Tisch setzte. Ausser ihr war der der einzige ihrer Rasse hier im Schankraum, die anderen Gaeste waren Humanes, zwei Maden, vertieft, oder gefangen, in ein Wuerfelspiel.
"Du bist spaet unterwegs fuer eine Stadt wie Osthanx, und fuer einen Krueppel allemal."
Der Neuankoemmling schob den Mantel fuer einen Moment von einem menschlichen Gewehr. Dann lachte er, gequaelt. In seiner Stimme lag eine Ahnung von Husten und Schmerz. Er zeigte auf ihr geschientes linkes Bein:
"Es sieht so aus als waer’ ich damit nicht allein. Wie habt ihr euch dass zugezogen?"

Ein humanisches Schankmaedchen unterbrach sie. Eigentlich waere sie huebsch gewesen, aber Verwuchs hatte einem ihrer Ohren eine absurde Groesse verliehen. Sie hatte wohl versucht, das beste daraus zu machen, denn der Schmuck an diesem Ohr haette ausgereicht, Kugeln fuer eine ganze Armee zu giessen.
Canyube bestellte nichts neues, der andere Cerbora ebensfalls eine Schuessel Bruehe, einen Schlauch Wein und ein Zimmer fuer eine Nacht. Waehrend er erschoepft in seinem Stuhl zusammensackte und scheinbar kraftlos seine Blick durch den Schankraum schweifen liess, betrachtete Canyube ihren Suppenloeffel. In den Stiel war ein Schriftzug menschlicher Sprache eingraviert, ansonsten zeigte sich keine Unregelmaessigkeit in der schlichten Perfektion seiner Form. Einer Perfektion, die heute niemand mehr erreichte. Darin ihr Gesicht, schwarz, von narbenartigen Linien durchzogen und ueberwachsen, haarlos ihr Schaedel, kaum verhuellt die Knochenstruktur. Aber immer noch weich die dunklen Lippen, und leuchtend selbst die braune Iris ihrer Augen. Auch er schien ihr Gesicht betrachtet zu haben.

"Wie ist das passiert, die Sache mit deinem Bein. Gestuerzt?"
Sie musste Laecheln. Oh ja. Gestuerzt. Gestuerzt und gefallen. Aber am Leben, und frei.
"Mit einem Fallschirm. Das ist ein Geraet, dass die Menschen benutzten, um Stuerze abzudaempfen. Eine Art rundes Segel, das den Fallwind faengt."
"Ich weiss, was ein Fallschirm ist. Wie kam es dazu?"
"Das ist eine lange, lange Geschichte."
"Der Abend hat gerade erst begonnen. Erzaehlt."
"Es ist weniger meine Geschichte, als die eines Humana..."





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