ZURUECK

Flieger, gruess mir die Sonne - Teil 1

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Oben am Himmel kreiste ein Geier, schwarze Schwingen mit weissen Spitzen. Entspannt lag er da in der Luft, legte sich ab und an leicht zur Seite, um eine weite, majestaetische Kurve zu beschreiben, verschwand kurz hinter der Wand, and der die broeckelnden Raenge der Arena hinaufragten. Doch immer wieder kam er dahinter hervor, von freundlichen Winden wieder hinaufgetragen zwischen die zahllosen Schaefchenwolken, frei und ungezaehmt.

Caedun verfolgte ihn mit seinen Augen, seinem Herzen, ja, er fuehlte beinahe den kuehlen, weiten Wind in seinem Gesicht, den Kitzel im Bauch, wenn er fuer einen Moment abtauchte und dann wieder emporschnellte, alles nur mit der allerkleisten, laessigsten Bewegung.

Ein fauliger Apfel traf ihn an der Schulter und riss ihn herab auf die Erde, in seinen Koerper, auf den von Blut und Erbrochenem befleckten Sand. In die Arena.

Er stand mit drei anderen jungen Maennern gerade ausserhalb des mit einem Fallgitter versehen Tores, durch dass sie gekommen waren. Seine Augen schmerzten, nach der langen Zeit im Dunkeln waren sie die Helligkeit des klaren Fruehlingsmorgens nicht gewohnt. Der Apfel war von einem kleinen Jungen gekommen, vielleicht zehn Jahre alt, der auf eine der Balustraden geklettert war und ihnen nun von dort die unnatuerlich lange Zunge herausstreckte, haemisch ueber seinen Treffer lachend. Einer von Caeduns Begleitern griff sich, vom Zorn gepackt, das Geschoss, und schleuderte es mit all dem Feuer seiner Wut zurueck. Es traf den kleinen Balg mitten ins Gesicht, er verlor den Halt und fiel, 2 Schritt tief, auf den Ruecken. Schreiend und quengelnd machte er sich davon. Mit grinsendem Gesicht drehte der junge Mann sich um und schob sich mit der Hand die straehnigen Haare aus der Stirn.

Bevor er begriff, was geschah, hatten ihn zwei der schwergepanzerten Aufpasser niedergeknueppelt. Was erlaubte er sich, Zuschauer zu belaestigen. Caedun und der andere tauschten einen Blick: Angst, kaum noch Wut. Sie wollten nur leben, gar nicht mehr.

Auf der anderen Seite der Arena wartete ihr Gegner. Er hatte langes, blondes Haar, das er in einem Pferdeschwanz zurueckgebunden hielt, trug eine abgewetzte Lederruestung. In seinen Haenden lag ein riesiges Zweihandschwert. Ohne seine zerlumpten Kontrahenten oder den Poebel auf den Raengen zu beachten, kniete er, den Kopf gesenkt, im Dreck, und hielt Zwiesprache mit seiner Waffe. Dieser Gladiator wuerde seinen letzten Kampf antreten. Siegte er, war er frei. Unterlag er, so hatte seine Gefangenschaft ebenfalls ein Ende.

Caedun und sein Leidensgenosse hingegen standen am anderen Ende dieses Weges; dreizehnmal mussten sie ihre Gegner besiegen, erst dann wuerde man ihnen die Freiheit lassen. Die Wachen der Arena hatten sie mit jeweils einem schartigem Kurzschwert ausgestattet, Waffen, die sie aus den leichenstarren Haenden anderer Ungluecklicher herausgewunden hatten, und aus den Haenden derer Vorgaenger, und Vorvorgaenger. Wer konnte schon sagen, wie oft.

Manchmal erhielt ein Kaempfer, wenn er gut war, eine Waffe oder eine Ruestung als Geschenk eines Zuschaueres. Ueblicherweise trat ein solcher Kaempfer, sollte er seine Freiheit erlangen, danach in den Dienst seines Goenners, als Leibwache, oder als Meuchelmoerder.

Mit einer schroffen Geste bedeutete ihnen der eine der Wachen, vor die Zuschauer zu treten und ihren Spruch zu sagen, denn jeder Gladiator waehlte einen Spruch, ein Motto, das ihnen Glueck bringen sollte und dem Publikum half, sie voneinander zu unterscheiden. Danach wuerde der Kampf beginnen. Caedun, Juengling, der er noch war, spuerte fuer die ignoranten Massen, die jetzt begannen, nach Blut zu groelen, dennoch Verachtung in sich aufsteigen. Und etwas trug seine Verachtung empor, schob es den Rachen hinauf, in seinen Mund, auf seine Zunge. Es waren Worte. Aber kein Humanita, und auch kein Endlaendisch, nicht einmal Englisch war es, das er zornig den steinernen Raengen entgegenschrie.

Es war Latein, eine uralte Sprache, die schon ueber tausend Jahre vor dem Nadir tot gewesen war. Sein Vater hatte sie gekannt. Caedun kannte sie. "Moribundiis salutan!" schrie er, seine Stimme bruechig und jung. Das Groelen wuerde unmutig, hungrig, als gehoere es einem einzigem, riesigem Tier. Man wollte kein unverstaendliches Geschwafel. Diesem wuenschte man kein Glueck, soll er nur da unten verrecken.

Nun trat Caeduns Leidensgenosse vor. Kurz bevor sie ins grelle Licht der Arena traten, hatten sie Namen getauscht, in der Dunkelheit: Er hiess Farnig. "Wir sehen uns vor den Toren wieder!" bruellte er, die Faust schuettelnd. Dann stiessen beide ihre klaeglichen Klingen in die Luft. Ihr Gegner war nun aufgestanden, auch er hob sein Schwert, mit beiden Haenden: "Freiheit." Er sagte es nicht laut, aber die Gaffer waren fuer einen Moment leise, und der Schall trug es bis an den aeusseren Mauerring.

Dann rannte er auf die verstoerten Juenglinge zu, die riesige Klinge seines Schwertes wirbelte ueber seinem Kopf und fing die Sonne, wilde Hoffnung blitze blau in seinen Augen. Caedun und Farnig kamen ihm vorsichtig entgegen, zu unsicher, einen Angriff zu wagen.

Der Mann schwang die Zweihaendwaffe in Richtung Farnigs, zweimal; dieser duckte sich, stolperte zurueck, fiel. Caedun sprang gegen seinen Gegner, zielte mit seinem Kurzschwert auf dessen Seite. Doch der Feind warf sich herum und mit sich die Klinge. Gerade rechtzeitig riss Caedun seine Waffen dazwischen, sah sie klirrend aus seiner Hand kreiseln. Die Wucht des Schlages sass noch in seinen Armen, er stellte fest, dass er nach hinten gefallen war und auf seinem Ruecken lag. Metallisches Blizen ueber ihm, Bewegungsschatten, er rollte sich zur Seite, hoerte Stahl knirschend in Sand schlagen. Sein Kurzschwert lag zwei Schritte entfernt, er brachte seine Beine, sein Fuesse unter sich, bohrte sich mit zwei Schritten nach vorne, hinter sich hoerte er Klingen klirren, ein Keuchen, schmerzerfuellt. Seine Hand umschloss das Heft, er torkelte herum, der Gladiator vor ihm, im Begriff, auszuholen. Wieder warf sich Caedun auf ihn, und diesmal klatschten beide zu Boden. Schnaufend versuchte der Feind, den Juengling abzuwerfen, doch seine Lederruestung behinderte ihn, und auch den Zweihaender bekam er nicht in Position. Caedun holte die Hand mit dem Schwert nach vorne, versuchte, die Schneide in die Kehle des anderen zu druecken, aber ein ledergepanzerte Hand packte ihn am Gelenk. Die Klinge schwebte zwischen ihnen, scharf und ungeheuer klar vor seinen Augen: er konnte jede Scharte, jeden Kratzer sehen. Sie kam naeher.

Dann, ploetzlich, hiefte der vormals Unterlegene nach oben und zur Seite, waelzte sich jetz ueber Caedun. Der Geruch von Leder, altem Schweiss und Angst war ueberwaeltigend. Jetzt, da er sein Gewicht einsetzen konnte, begann er, den Widerstand des Juengeren zu brechen. Verzweifelt schnappte Caedun nach Luft, als koenne er damit seine schreienden Armmuskeln aufpumpen. Vergebens. Er sah keinen Triumph in den Augen seines Feindes, darin war nur der Wille, zu ueberleben, das, und Angst davor, zu sterben. Doch ploetzlich brach dieser Wille wie duennes Glas, zermalmt von dahinter hervorbrechendem Schmerz und grellem Entsetzen. Ein roter Wurm lief aus seinem Mund, das Kinn hinunter. Der Koerper ueber ihm verkrampfte, wurde zur Seite gewaelzt. Farnir kniete ueber ihm, starrte unglauebig auf das bluttriefende Schwert in seiner Hand. Sein linker Arm hing schlaff herab, ebenfalls blutueberstroemt. Dann wuergte er, und, wie auf ein Kommando, tat Caedun es ihm gleich.





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